Ausbeutung von Migrantinnen* in der häuslichen Care-Arbeit

Die in großen Teilen von Frauen* verrichtete häusliche Fürsorge- und Pflegearbeit (Care-Arbeit) findet i.d.R. unbezahlt statt und erfährt in der Öffentlichkeit nur unzureichend Anerkennung. In jüngster Vergangenheit wurde die Unsichtbarkeit von Care- bzw. Reproduktionsarbeit in feministischen Kreisen zunehmend problematisiert und öffentlich kritisiert. Im Folgenden soll der Blick auf Migrantinnen* in der institutionalisierten häuslichen Care-Arbeit gerichtet werden. Insbesondere ukrainische Care-Arbeiterinnen* sehen sich mit schlechten Arbeitsbedingungen konfrontiert.

Das Entstehen einer sogenannten Care-Gap in Deutschland lässt sich auf zwei wesentliche Ursachen zurückführen. Zum einen steigt mit der sich wandelnden Geschlechterordnung die Frauen*erwerbstätigkeit. Zum anderen erhöht der demographische Wandel in Deutschland bzw. die alternde Gesellschaft den Bedarf an (externen) Pflegekräften bzw. Care-Arbeiterinnen*. Dies hat eine globale Neuverteilung der Care- bzw. Fürsorgearbeit zwischen v.a. Frauen* zur Folge. Migrantische Care-Arbeiter*innen kommen in den globalen Norden (u.a. Deutschland) um die steigende Nachfrage in Pflege- und Care-Arbeit zu bedienen (Externalisierung von häuslicher Care-Arbeit). Es entstehen globale Betreuungsketten (Global Care Chains) entsprechend bestehender Armutsgrenzen d.h. von Süden nach Norden bzw. von Ost nach West: „Eine Frau kümmert sich zu Hause um die Kinder der Migrantin, eine zweite kümmert sich um die Kinder derjenigen, die auf die Kinder der Migrantin aufpasst, und eine dritte, die ausgewanderte Mutter selbst, kümmert sich um die Kinder von Berufstätigen im Zielland“ (Apitzsch/Schmidbaur, 2011). Um die Betreuungslücke/Care-Gap zu schließen werden migrantische Care-Arbeiterinnen* ausgenutzt. Im Zielland angekommen, sehen sich migrantische Care-Arbeiterinnen* häufig mit schlechten Arbeitsbedingungen konfrontiert und arbeiten u.U. illegal. Auch migrantische Frauen* mit einer höheren beruflichen Qualifizierung finden sich oft in Reinigungs-, Pflege- und Betreuungsberufen wieder. Die im Jahre 2013 eingeführte Konvention 189 der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) bestätige die den Arbeitnehmerinnen* zustehenden Arbeitsrechte. Dennoch vermissen diese bisweilen eine gesellschaftliche Anerkennung als Beschäftigte, eine Bezahlung gemäß des gesetzlichen Mindestlohns und eine (Teil-) Inklusion in die Gesundheitssysteme. Dies bewertet der Dachverband der Migrantinnenorganisationen (DaMigra) als problematisch, da insbesondere gesundheitliche Belastungen für migrantische Care-Arbeiterinnen* sehr präsent seien (Rassismus-Erfahrungen, soziale Isolation, psychische Belastungen). DaMigra (2022) ist der Auffassung, dass dies zudem im Widerspruch zu der Agenda 2030 der Vereinten Nationen (UN) stehe. Zielsetzung Acht sehe insbesondere für migrantische Leiharbeitnehmerinnen* den Schutz der Arbeitnehmerinnen*rechte sowie eine sichere Arbeitsumgebung vor.

Auch ukrainische Care-Arbeitnehmerinnen* können als wesentlicher Bestandteil des deutschen Versorgungs- und Pflegesektors gewertet werden. Diese befinden sich vermehrt in schwierigen sozialen Situationen, sie arbeiten häufig in der rechtlichen Grauzone und sind sozial sowie rechtlich nur unzureichend abgesichert. Goncharuk (2021) kommt zu der Erkenntnis, dass insbesondere Vermittlungsagenturen aus dieser Situation Profit schlagen und die rechtliche Vulnerabilität der Beschäftigten ausnutzen. Die deutsche Öffentlichkeit zeige nur wenig bis kein Interesse an den (prekären) Arbeits- und Lebensbedingungen osteuropäischer Arbeitnehmerinnen* im Pflegesektor, diese Ausgangslage ermögliche es Vermittlungsagenturen erst osteuropäische bzw. ukrainische Care-Arbeiterinnen* auszubeuten. Im folgenden Abschnitt sollen beispielhaft schlechte Arbeitsbedingungen skizziert werden, mit denen insbesondere ukrainische Care-Arbeiterinnen* konfrontiert sind (Quelle: Goncharuk, 2021). Erstens herrsche für diese Care-Arbeiterinnen* kein geregelter Arbeitsalltag und Arbeiten rund um die Uhr bilde keine Seltenheit. Nur teilweise werde sich auf Pausen geeinigt, die u.U. aber nicht eingehalten würden u.a. durch nächtliche Hilfeleistungen und Wochenend-Arbeit. Häufig dürften Pflegerinnen* nicht das Haus bzw. die Wohnung der zu betreuenden Person verlassen, sondern müssen kontinuierlich in Reichweite der hilfebedürftigen Person sein. Letztlich würden ukrainische Care-Arbeiterinnen* nicht in die sozialen Sicherungssysteme eingegliedert und auch eine vollständige Auszahlung der Löhne bleibe ungewiss.

Diese prekären Arbeitsverhältnisse verschärften sich nochmals durch die Covid-19-Pandemie. Ursprünglich unterlag die durch Migrantinnen* verrichtete institutionalisierte Care-Arbeit in deutschen Privathaushalten einem Rotationssystem, denn ukrainische Care-Arbeiter*innen wechselten sich im Drei-Monats-Rhythmus mit polnischen Care-Arbeiterinnen* ab. Durch die Schließung der Binnen- und Außengrenzen der EU mit Ausbruch der Covid-19-Pandemie gerät dieses Rotationssystem ins Wanken. Ukrainische Care-Arbeiterinnen* hatten die „Wahl“ entweder die zu pflegende Person alleine zurückzulassen oder ihren Aufenthalt bzw. ihre Care-Tätigkeit zu verlängern. Der Großteil ukrainischer Arbeiterinnen* entschied sich aus Loyalität gegenüber der zu pflegenden Person für letzteres. Dies bedeutete für ukrainische Arbeiter*innen eine erhöhte psychische und körperliche Belastung. Stellte die verrichtete Care-Tätigkeit eine illegale Tätigkeit dar, erhöht dieser verlängerte Aufenthalt für sie das Risiko erwischt zu werden. Zudem bedeutet die verlängerte Arbeitszeit von sechs bis sieben Monaten eine erhöhte körperliche Belastung (24/7 Arbeiten, ohne Urlaubstage). Darüber hinaus nahm die psychische Belastung für ukrainische Care-Arbeiterinnen* zu, denn der bereits eingeschränkte Kontakt zu Familie und Freunden reduzierte sich nochmals durch das bestehende Infektionsrisiko.

Aus dieser Erarbeitung geht ein Reformbedarf der institutionalisierten häuslichen Care-Arbeit in Deutschland hervor. Insbesondere migrantische Care-Arbeiterinnen* sehen sich mit prekären Arbeits- und Lebensbedingungen konfrontiert. Die dringliche Notwendigkeit struktureller Reformen in der Care-Arbeit findet politisch bisweilen nur wenig bis unzureichend Aufmerksamkeit. Rechtliche Regulierungen zum Schutz der Arbeitnehmerinnenrechte blieben bisher aus. Für ukrainische Care-Arbeiterinnen* bedeutet das in der Praxis, dass sie mit der Bewältigung ihrer Situation allein gelassen werden. Und das obwohl Deutschlands Pflegesystem auf ihre Arbeit angewiesen ist.
/mg