Tesla gibt vor, divers und inklusiv zu sein. Tatsächlich ist Tesla divers – aber zu welchem Preis?
Bei dem US-amerikanischen Automobilunternehmen Tesla, welches sich 2020 mit einer Gigafactory inmitten des Brandenburgischen Nadelwaldes niedergelassen hat, scheint die Position in der Betriebshierarchie stark an die Nationalität gekoppelt. Im niedrigen Lohnsegment, der Produktion, arbeiten demnach fast ausschließlich migrantische Arbeitskräfte. Viele sind erst seit einigen Jahren in Deutschland, nicht wenige haben eine Fluchtbiographie. Ein bedeutender Anteil der Produktionarbeiter*innen bei Tesla ist sogar aus einem sogenannten Drittstaat, also nicht aus einem EU-Mitgliedsstaat (oder der Schweiz). Dazu kommen die Grenzpendler*innen aus Polen. Der Lohn bleibt deutlich hinter den in Tarifverträgen ausgehandelten Löhnen in anderen Automobilunternehmen zurück. Für breite Teile der Belegschaft ist die Perspektive einer Festanstellung trotzdem verlockend – denn oft ist es der erste feste Arbeitsvertrag in Deutschland und der (zu ihren Herkunftsländern vergleichbar hohe) Lohn stellt zunächst eine verbesserte finanzielle Ausgangslage dar.
Die Arbeitsschritte sind standardisiert und fragmentiert, was Einarbeitung vereinfacht und dem Konzern ermöglicht, auf ungelernte, billige Arbeitskraft zuzugreifen. Viele dieser Menschen haben nämlich zuvor noch nie in der Automobilbranche gearbeitet. Diese vergleichbar niedrigen Einstellungskriterien tragen nicht nur dazu bei, dass Tesla sich in Diversity impact reports als inklusiv und wohlwollend darstellen kann, sondern fügt sich in die Vorstellung von Arbeitskräften, die beliebig austauschbar sind und nach Belieben eingesetzt werden können. In Anbetracht der kontinuierlichen Entlassungswellen lässt sich nämlich davon ausgehen, dass die hohe Fluktuation von Mitarbeitenden in gewisser Weise zum Geschäftsmodell gehört. Kündigungen machen einen wichtigen Aspekt der unmittelbaren Arbeitsbedingungen aus- so wird vor allem die gesetzliche Probezeit genutzt, um Mitarbeiter*innen in Reihe zu kündigen und wieder neu einzustellen. Tesla arbeitet außerdem viel mit Subunternehmen und die dort angestellten Leiharbeiter*innen sind überdurchschnittlich stark von Kündigungen betroffen.
Versetzungen und Kündigungen werden auch gerne als Druckmittel genutzt, um die betriebliche Einschüchterung wirksamer zu machen und die Konkurrenz innerhalb der Belegschaft zu erhöhen. Denn charakteristisch für dieses Arbeits- bzw. Ausbeutungsverhältnis ist auch der hohe Leistungsdruck und die eingeforderte Bereitschaft, jederzeit und weit über die vertraglich geregelte Arbeitszeit und körperliche und psychische Belastungsgrenzen hinaus zu arbeiten. Diese Arbeitsbedingungen sind die Kehrseite des viel zitierten “Tesla-Tempos”, einer Wortschöpfung, auf die sich die meisten staatlichen Akteure affirmativ beziehen und die aktuell als Vorbild für vergleichbare Branchen diskutiert wird. Legitimiert werden Zeitdruck und Belastung der Arbeiter*innen dann teilweise durch die Dringlichkeit der ökologischen Krise.
Es lässt sich davon ausgehen, dass die Anwerbung migrantischer und rechtlich prekarisierter Arbeiter*innen zu einer spezifischen Zusammensetzung der Belegschaft führt, die den Profitinteressen des Unternehmens dienlich ist, da sie untertarifliche Löhne ermöglichen und gleichzeitig (gewerkschaftlichen und außergewerkschaftlichen) Widerstand aushebeln. Denn der überdurchschnittlich prekäre Status der Belegschaft, da z.B. viele keine guten Deutschkenntnisse haben, sich mit deutschem Arbeitsrecht nicht auskennen, oder z.B. der Aufenthaltsstatus oder die Einbürgerung an eine Beschäftigung gebunden ist, erschwert die Flucht aus der Arbeit, etwa durch Betriebswechsel oder Arbeitslosigkeit, systematisch. Ein Auflehnen gegen diese Ausbeutungsverhältnisse kann maßgebliche Folgen haben, die von Kündigungen bis zur Abschiebung reichen. Dementsprechend ist die Belegschaft überdurchschnittlich anfällig für die betriebliche Einschüchterung. Es lässt sich also festhalten, dass Tesla Arbeits- und Anstellungsverhältnisse hervorbringt, in denen die besondere Ausbeutung migrantischer Arbeiter*innen erfolgt und Prekarität zusätzlich (re)produziert wird.
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